Die Zerstörung von Lidice und das Massaker an den Einwohnern des
mittelböhmischen Dorfes bedeuteten nach Ansicht des tschechischen
Ministerpräsidenten Petr Nečas einen Wendepunkt im Kampf gegen den
Nationalsozialismus. Diese Gräueltaten der Nazis hätten der
internationalen Gemeinschaft die Augen geöffnet, und zwar schon lange vor
den entsetzlichen Eindrücken, die man danach über die nazistischen
Konzentrationslager gewonnen hat. Das sagte der Premier am Sonntag
während
seiner Rede auf der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der tragischen
Ereignisse
von Lidice. Unter dem Eindruck dieser Tragödie hätten die Regierungen
Frankreichs und Großbritanniens gemerkt, mit ihrer Zustimmung zum
Münchner Abkommen einen Fehler gemacht zu haben. In ihren politischen
Überlegungen haben sie begonnen, dieses Abkommen für ungültig zu
erklären, bemerkte Nečas. Seiner Meinung nach sei die Wahrung des
Andenkens an die Märtyrer ein Ausdruck des tschechischen Patriotismus.
Als Vergeltung für das Attentat auf SS-Obergruppenführer Reinhard
Heydrich, den Statthalter Hitlers in Prag, wurden von den Nazis in Lidice
am 10. Juni 1942 alle 173 Männer und Jungen des Ortes, die älter als 15
Jahre waren, erschossen sowie die Frauen und Kinder in Konzentrationslager
verschleppt. Der Ort wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Im Vorfeld des 70. Jahrestages der Massaker von Lidice und Ležáky (24.
Juni 1942) durch die Nazis hat sich der deutsche Bundespräsident Joachim
Gauck in einem Brief an den tschechischen Präsidenten Václav Klaus
gewandt. Deutschland sei sich seiner „geschichtlichen Verantwortung
bewusst“, schreibt Gauck. Der „Gedanke an die menschenverachtenden
Terrorakte“ erfülle ihn „mit tiefer Betroffenheit und Scham“. Die
Deutschen teilten den Schmerz der Opfer und fühlten mit den
Überlebenden,
von denen noch einige unter uns seien, so der Bundespräsident.
In einer Antwort schrieb Klaus an Gauck, dass er den Brief von einem
Politiker mit hoher moralischer Autorität in Deutschland sehr hoch
schätze. Der Gedenkfeier am Sonntag blieb das tschechische
Staatsoberhaupt
allerdings fern. Er sei nach Los Angeles abgereist, wo er zu den
Teilnehmern einer internationalen Konferenz sprechen werde, hieß es dazu
von Seiten der Präsidialkanzlei. Die oppositionellen Sozialdemokraten
kritisierten die Abwesenheit von Klaus in Lidice.