Genau 70 Jahre nach der blutigen Vertreibung der deutschen Mitbürger
stellt sich die mährische Stadt Brno / Brünn der eigenen Vergangenheit.
Mit einem Gedenkmarsch wurde am Samstag an die Tausenden Opfer des
sogenannten Brünner Todesmarschs vom Mai 1945 erinnert. Neu war, dass die
Stadt erstmals offiziell zur „Wallfahrt der Versöhnung“ einlud, die
Bürgerinitiativen seit neun Jahren veranstalten. Dementsprechend größer
war auch die Teilnehmerzahl. Der 30 Kilometer lange Gedenkmarsch, der in
umgekehrter Richtung zum damaligen Leidensweg von Pohořelice / Pöhrlitz
nach Brünn führte, wurde von rund 300 zumeist jungen Menschen begangen.
An der letzten Verpflegungsstation vor einem Brünner Gymnasium schlossen
sich auch Politiker und Gäste aus Deutschland und Österreich
einschließlich des Sprechers der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd
Posselt, dem Gedenkzug an. Beim pietätvollen Treffen in Pohořelice und
beim feierlichen Empfang der Marschteilnehmer in einem Klosterhof in
Altbrünn waren zudem Zeitzeugen der damaligen Ereignisse zugegen.
In seiner Ansprache vor den Teilnehmern der Gedenkaktion sagte der
Vertreter der Kreisregierung Südmähren, der Christdemokrat David Macek,
dass Brünn heute eine positive Werbung in eigener Sache betrieben und neue
Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den Sudetendeutschen eröffnet habe.
Brünns liberaler Bürgermeister Petr Vokřál hatte schon im Vorfeld
erklärt, die „Wallfahrt der Versöhnung“ biete eine einzigartige
Gelegenheit zu zeigen, dass Brünn vor seiner eigenen Geschichte nicht die
Augen verschließe. Mehr als 20.000 deutschsprachige Bürger waren über
rund 60 Kilometer in Richtung Wien getrieben worden. Die Rache für die
Schrecken der sechsjährigen Nazi-Besatzung traf vor allem Frauen, Kinder
und Alte. Unterschiedliche Schätzungen gehen von mindestens 2000 und bis
zu 5200 Toten aus.
Dass der Stadtrat mit einem „Jahr der Versöhnung“ und einer
Erklärung des Bedauerns auf Überlebende und Nachfahren zugeht, stößt
indes auch auf harsche Kritik. Man müsse „diese Kollaborateure
verprügeln“, meinte der hochrangige Sozialdemokrat Zdeněk Škromach.
Und der Hauptmann des Kreises Südmähren, Michal Hašek, sagte: „Wer hat
sich für (...) Abtransport und Ermordung der Juden und Roma aus Brünn
entschuldigt?“