Foto: Archiv von Anna Kotschergina
Die Siegerin des Gewinnspiels von Radio Prag ist
Die Jury wählte als originellste die Einsendung von Anna Kotschergina aus.
Sie gewinnt einen viertägigen Aufenthalt im Luxus-Hotel Savoy im historischen Prager Stadtzentrum und Flugtickets für zwei Personen.
Für zwölf weitere Finalisten gibt es Sachpreise.
Einsendung von Anna Kotschergina:
Vor 40 Jahren schon, um das Jahr 2050, haben die Wissenschaftler nachgewiesen, dass Worte überhaupt nicht als Informationsträger taugen. An der Schwelle zum 22. Jahrhundert empfinden die Menschen, die sich an nonverbale Kommunikation gewöhnt haben, sie daher als überflüssigen Lärm. Für die Verständigung im Alltag ist die Sprache zweifellos immer noch sehr wichtig. Für andere Bereiche menschlichen Handelns gilt aber diese Art, sich zu informieren, schon seit langem als ineffizient und aufwendig.
Dies hat auch die Arbeit der Medien grundlegend verändert. Das Fernsehen sendet vor allem kurze, unkommentierte Videos. Zeitungen und Zeitschriften (die zwar entgegen aller traurigen Prognosen überlebt haben, aber in deutlich gewandelter Form) haben ihr Heil in Foto-Reportagen mit kurzen Bildunterschriften gesucht, und das Internet hat alles das aufgesaugt. Besonders das Radio erlebt eine kritische Zeit: Einst beliebte Sendestationen geben eine nach der anderen auf, weil den Hörern auch Musik keinen Spaß mehr macht und sie diese als störend empfinden. Radio Prag hat eine unerwartete und originelle Lösung gefunden – und hat daher praktisch als einziger Sender überlebt. Nach mehrjährigen Forschungen war die Leitung von Radio Prag zu dem Schluss gekommen, dass nur die Stille die gesamte Bandbreite der Gefühle vermitteln kann, ohne dabei die Sinne zu überlasten.
„Na, worüber schweigt heute Radio Prag?“, fragt der Nachbar seinen Nachbarn, der gerade Radio hört. „Aufgeregte Schweigsamkeit: ein Eigenbericht über die Erhöhung der Luftsteuer.“ „Schon wieder? Die sind komplett verrückt! Lass mich auch mal hören.“
Zwei elegante Damen lauschen einer Live-Übertragung aus der Eremitage – eine Stunde göttliche Ruhe. Nur dies bringt einen in die Stimmung, die beim Betrachten der Kunstwerke von Weltrang entsteht.
Ungeachtet aller bissigen Kommentare über die Vergänglichkeit des Erfolgs eröffnen sich Radio Prag ungeahnte Möglichkeiten. Der Sender hat auch Ballett ins Programm aufgenommen: Die Hörer erkennen Schwanensee oder Giselle am leichten Tippen der Ballettschuhe.
Im Jahr 2096 erhält Radio Prag den Sonderpreis „Goldenes Radio“ (abgeleitet vom Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“). „Die Gabe, sich zu wandeln, ohne seine Prinzipien zu verraten – das ist das Geheimnis unserer Langlebigkeit“, sagt der Chefredakteur des Senders von Weltruf (Ich bitte um Entschuldigung für diese ungewollte Ironie). „Wir senden weiter alles das, was unsere Hörer auch schon vor 80 Jahren interessiert hat, heute interessiert und noch morgen interessieren wird. Aber wir suchen neue Wege zu ihren Herzen. Und wir finden sie. Unser Motto lautet: Schweigen, aber nicht verschweigen!“
Selbst solch eine flammende Rede kann Radio Prag im neuen Format senden, ohne das etwas von der Bedeutung der Worte verloren geht: durch eine Minute feierliche Stille.
P.S.: Wenn ich konsequent gewesen wäre, dann hätte ich eine leere Datei zum Wettbewerb eingesendet, doch leider beherrsche ich die Kunst des stillen Vortrags noch nicht vollständig. Ich werde aber fleißig üben, zum Glück habe ich dafür noch 80 Jahre Zeit!
Mit freundlichen Grüßen, Anna Kotschergina
Weitere Finalisten:
Thorsten Driller, BRD
German Hasreiter, Brasilien
Fernando Irrazabal, Uruguay
A. Buchrjakowa, Russland
Jelena Tumanowa, Russland
Sofija Risatdinowa, Russland
Juan Carlos Gil Mongie, Spanien
Hervé Brien, Frankreich
Thomas Bégué, Frankreich
Brandon Case, USA
Paul Bernstein, USA
Nargiza Alikulowa, Usbekistan