Die Geschichte von Radio Prag

Bereits kurz nach dem Krieg hatten die Kommunisten im Tschechoslowakischen Rundfunk eine starke Stellung. Während der politischen Krise im Februar 1948, die von den Kommunisten ausgelöst worden war, ging der Rundfunk als Kommunikationsmittel offen in ihre Dienste über, was die Machtübernahme der Partei erleichterte. Der damalige Informationsminister Václav Kopecký dankte dem Tschechoslowakischen Rundfunk öffentlich für diese Hilfe.

Im April 1948 wurde der Tschechoslowakische Rundfunk verstaatlicht, über seine Leitung und seine Programmausrichtung entschied fortan die Kommunistische Partei. Im Sommer 1948 wurden die Auslandssendungen mit der politischen Nachrichtenredaktion vereinigt, um eine einheitliche politische Linie der Inlands- und Auslandssendungen zu gewährleisten. Im Programm machte sich das dadurch bemerkbar, dass Radio Prag für befreundete Länder, die sich ebenfalls auf den Weg des Sozialismus gemacht hatten, andere Programme vorbereitete als für die kapitalistischen Staaten, die als feindlich betrachtet wurden. Hauptziel der Sendungen für kapitalistische Staaten war es, "Gerüchte über die Tschechoslowakei zu unterbinden und Hörer für die Idee des Sozialismus zu gewinnen". Ziel der Sendungen für Länder des Sowjetblocks war es hingegen, "die freundschaftlichen Bindungen zwischen den sozialistischen Staaten auszubauen und die Beziehungen zur Sowjetunion zu stärken".

1952 wurde der Tschechoslowakische Rundfunk nach sowjetischem Vorbild reorganisiert. Die Auslandssendungen wurden nun eine selbständige Abteilung im Rahmen des Tschechoslowakischen Rundfunks mit einem eigenen Direktor an der Spitze. Sie setzte sich aus einer Zentralredaktion, die die Nachrichtentexte auf Tschechisch formulierte, Sprachredaktionen und einer Redaktion für internationale Zusammenarbeit zusammen. Letztere produzierte sog. Exportprogramme. Diese wurden anderen Auslandsstationen übermittelt und ersetzten mit der Zeit die Sendungen für das sozialistische Ausland.

In den 50er Jahren vergrößerte sich der Umfang der Auslandssendungen erheblich. Neue Sprachen - Arabisch und Portugiesisch - wurden eingeführt. Während 1949 insgesamt 10 Stunden täglich gesendet wurde, waren es 1954 bereits 14,5 Stunden und 1960 sogar 32 Stunden. 1962 erreichte Radio Prag einen ersten Höchststand, was die Länge der Sendezeit betrifft: 33 Stunden täglich.

Aus Archivmaterial geht hervor, dass in den 50er Jahren im Tschechoslowakischen Rundfunk sog. "B Sendungen" in Französisch und Italienisch produziert wurden. Dies geschah auf Geheiß der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Diese reagierte auf Anfragen der Kommunistischen Parteien Frankreichs und Italiens, die dadurch die öffentliche Meinung in ihren Ländern beeinflussen wollten. Die Sendungen wurden konspirativ von einer Gruppe französischer und italienischer Kommunisten gestaltet, die für diesen Zweck nach Prag entsandt worden waren. Das italienische Programm hieß "Oggi in Italia", das französische "Ce soir en France". Für die 60er Jahren gibt es keine Hinweise mehr auf die Existenz der französischen "B Sendung". Zur besseren Geheimhaltung wurden die italienischen "B Sendungen" außerhalb des Rundfunkgebäudes hergestellt. Aufgelöst wurden sie 1970. Während der ganzen Zeit strahlte Radio Prag auch das offizielle Programm in französischer und italienischer Sprache aus.

Die Erweiterung der Sendezeiten spiegelt sich auch in der Korrespondenz wider. Im Jahre 1953 wurden 3.259 Briefe registriert, 1956 waren es 16.232 Briefe, 1960 erreichten bereits 49.353 das Prager Funkhaus und Mitte der 60er Jahre waren es dann über 100.000 Briefe jährlich.

Mit der Erweiterung der Sendungen ging auch die Modernisierung der Sendeeinrichtungen einher. Bereits 1949 wurde in Velký Kostolany in der Südslowakei ein Kurzwellensender gebaut. 1955 wurde das Sendezentrum im ostböhmischen Litomysl mit zwei Kurzwellensendern mit einer Leistung von 100kW und einem Mittelwellesender mit einer Leistung von 300kW in Betrieb genommen. Dieser Sender, der auf der Frequenz 1287 kHz arbeitete, diente den Auslandssendungen bis 1990.

1956 begann das Kurzwellensendezentrum im ostslowakischen Rimavská Sobota seine Arbeit. Übrigens, als dieses Zentrum 1979 bis 1982 einer Generalüberholung unterzogen wurde, wurde erneut der Kurzwellensender in Podebrady aktiviert, der die Anfänge von Radio Prag begleitet hatte.

Der Tschechoslowakische Rundfunk wurde 1960 direkt dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei unterstellt, wodurch der Einfluss der kommunistischen Ideologie noch verstärkt wurde. Führen wir zur Illustrierung einige Schwerpunkte der Auslandssendungen für das Jahr 1962 an: Kampagne zum 20. Jahrestag der Vernichtung von Lidice, Umfrage zum Thema "Wie würde die Welt aussehen , wenn Hitler gewonnen hätte", Umfrage zum Thema "Meine Erfahrungen mit dem Kolonialismus", "die Kuba-Krise und die sowjetische Friedenspolitik". Das Gesetz über den Tschechoslowakischen Rundfunk aus dem Jahre 1964 bestätigte die führende Rolle der Kommunistischen Partei.

Den größten Aufschwung erlebte in den 60er Jahren die Redaktion für internationale Zusammenarbeit, die Exportprogramme herstellte. Diese waren vor allem für Entwicklungsländer bestimmt, in denen in den 60er Jahren Unabhängigkeitskämpfe tobten. 1967 wurden beispielsweise 1.333 Sendestunden für solche Programme in 10 Sprachen produziert. Darunter waren 997 Stunden für Entwicklungsländer bestimmt (Afrika, Asien, Lateinamerika), 202 Stunden für sozialistische Länder (Sowjetunion, Bulgarien), 134 Stunden für kapitalistische Länder (USA, Australien, Zypern, Portugal).

Auf ähnliche politische Absichten ist auch die Gründung der Hörerclubs von Radio Prag zurückzuführen. Diese entstanden in den 60er Jahren vor allem für Hörer aus afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern (der erste Hörerclub entstand 1960 in Kuba). Radio Prag unterstützte die Entstehung solcher Hörerclubs, widmete ihnen Sendezeit, führte Wettbewerbe u.ä. durch. Rund 600 solcher Hörerclubs existierten in den 60er und 70er Jahren weltweit. Die Aktivität von Radio Prag belegen auch rund 200.000 Briefe mit Informationsmaterial, die in jener Zeit jährlich das Funkhaus in alle Himmelsrichtungen verließen.

1963 wurde der sog. Monitor-Klub von Radio Prag ins Leben gerufen. Seine Mitglieder waren DX Hörer, die ihre Empfangsberichte an Radio Prag schickten. Radio Prag sandte an diese Hörer bereits seit seiner Entstehung QSL-Karten. Seit Ende der 50er Jahre strahlte es für sie spezielle Sendungen aus. Der Monitor-Klub sollte Auskunft über die Qualität und Reichweite der Prager Sendungen geben. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in diesem Klub war die Zusendung einer gewissen Anzahl korrekter Empfangsberichte. Für weitere Berichte erhielten die Mitglieder dann jedes Jahr Anerkennungsmarken. Der Monitor-Klub von Radio Prag, der einige Tausend Mitglieder hatte, wurde Anfang der 90er Jahre aufgelöst.

Ende der 50er und in den 60er Jahren wurden viele Sendungen von 15 auf 30 Minuten, einige sogar auf 60 Minuten verlängert. Diese Erweiterung der Sendezeiten war jedoch nicht nur rein quantitativ. Zugleich wurden eine Reihe neuer Programme eingeführt: Es entstanden neue Rubriken mit Reportagen, neue Hörersendungen, Wettbewerbe, Sendungen für DXer, Wunschkonzerte und Interviews. Einige der damals neuentstandenen Rubriken, wie "Mailbag" (englische Redaktion) oder "Courrier des auditeurs" (französische Redaktion) existieren bis heute.

1965 erfolgte eine weitere Reorganisation von Radio Prag, in deren Rahmen die bis dahin existierenden Abteilungen in insgesamt drei zusammengefasst wurden: in die Redaktion für Sendungen in kapitalistische Länder, die Redaktion für Sendungen in sozialistische Länder sowie die Zentralredaktion. Letzterer gehörten nun alle Abteilungen an, die Nachrichten und Kommentare in Tschechisch produzierten. Diese Materialien wurden dann übersetzt und bildeten den Hauptanteil der Sendungen in den einzelnen Sprachen. Neben diesen "Pflichtprogrammen" verfügten die Sprachredaktionen über einen begrenzten Freiraum für eigene Produktionen, insbesondere Rubriken.

 
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