Ende 1989 schlug in Mittel- und Osteuropa für die kommunistischen Regime, die vier Jahrzehnte lang geherrscht hatten, die letzte Stunde. Bei diesen Veränderungen fehlten weder die Redakteure des Tschechoslowakischen Rundfunks noch die Prager Bürger. Endlich kam die lang ersehnte Demokratie.
Den Tschechoslowakischen Rundfunk verließen nach den politischen Veränderungen die kompromitiertesten Angestellten sowie die ehemaligen Agenten der Staatssicherheit. Radio Prag kehrte langsam zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurück: unvoreingenommen und objektiv über das Geschehen in der Tschechoslowakei zu informieren. Erneut wurde das Stationszeichen der Vorkriegszeit eingeführt - Dvoráks Symphonie "Aus der neuen Welt". Zwischen dem Beginn der 50er Jahre und 1989 diente als Erkennungszeichen das kommunistische Lied "Kupredu levá" (Vorwärts links).
Zwischen dem 1. April und 7. Mai 1990 verschwand Radio Prag aus dem Äther. Lediglich die Sendungen für Landsleute in Tschechisch und Slowakisch sowie das Interprogramm wurden ausgestrahlt. Grund für diese Sendepause waren die ungeklärte Stellung der Auslandssendungen sowie die durchzuführende programmliche, personelle und technische Reduzierung. Bereits zuvor wurden die Sendungen in Arabisch, Italienisch und Portugiesisch für Lateinamerika gestrichen. Von acht Sprachen blieben fünf: Tschechisch/Slowakisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch. Auch die sog. Zentralredaktionen, die Symbole der "einzigen richtigen Linie" wurden abgebaut. Das Programm wurde sehr gekürzt, viele Angestellte entlassen. Von den rund 350 Angestellten von Radio Prag im Jahre 1989 waren vier Jahre später nur noch 50 übrig.
Im Frühjahr 1990 wurde zudem eine Reihe von Sendern abgestellt und ihre Leistung reduziert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren vier Kurzwellensender mit einer Leistung von 250kW in Betrieb, sieben Sender mit einer Leistung von 100kW und zwei Mittelwellensender mit einer Gesamtleistung von 500kW. Nach der Wiederaufnahme des Programms im Mai 1990 benutzte Radio Prag nur noch zwei Kurzwellensender mit einer Leistung von 250 kW im slowakischen Rimavská Sobota sowie zwei Kurzwellensender mit einer Leistung von 100kW im tschechischen Litomysl. Nach der Teilung der Tschechoslowakei Ende 1992 fiel das Sendezentrum in Rimavská Sobota an die Slowakei, das in Litomysl an die Tschechische Republik. Bis 1995 benutzte Radio Prag weiterhin den leistungsstärkeren Sender in Rimavská Sobota, dann konnte er aus finanziellen Gründen nicht weiter genutzt werden. Seitdem sendet Radio Prag nur über den Sender Litomysl. Bereits 1990 beendete Radio Prag seine Mittelwellensendungen auf der Frequenz 1287kHz. Diese Frequenz wird bis heute von Radio Free Europe genutzt.
Auch das Interprogramm war von den Kürzungen betroffen. Nach 1990 wurde nur Englisch, Deutsch und Französisch gesendet, 1992 wurde das Programm ganz eingestellt. Ebenfalls 1992 wurden die Zentralredaktionen abgeschafft. Die Auslandssendungen informierten nun nicht mehr über das Geschehen in aller Welt, sondern begannen, sich auf die Ereignisse in der Tschechischen Republik zu konzentrieren.
Auf Grundlage eines neuen Gesetzes verwandelte sich der Tschechoslowakische Rundfunk 1992 in eine öffentlichrechtliche Institution. Über seine politische Unabhängigkeit wacht der Rundfunkrat, der vom Parlament und nicht von staatlichen oder parteilichen Organen gewählt wird, wie dies vor 1989 der Fall war. Mit der Teilung der Tschechoslowakei zum 1. Januar 1993 ging auch die Teilung des Tschechoslowakischen Rundfunks einher. Seitdem gehört Radio Prag zum Sendekreis des Tschechischen Rundfunks.
Interessant ist auch die Entwicklung des Namens "Radio Prag", der in dieser Publikation auch als Synonym für die Auslandssendungen genutzt wird. Man muss aber die administrative Bezeichnung innerhalb des Tschechoslowakischen Rundfunks und die in den Sendungen benutzte unterscheiden. Vor dem Krieg meldete sich die Station als "tschechoslowakische Kurzwellenstation Prag" oder mit verschiedenen Variationen dieser Begriffe, verbunden mit dem Rufzeichen OLR. Nach dem Krieg benutzte man für die Identifizierung in den verschiedenen Sprachen unterschiedliche Bezeichnungen: Stanice Praha, Hier Prag - Tschechoslowakei; Es spricht Prag u.ä.
Die Verbindung "Radio Prag" tauchte erstmals in den 1950er Jahren auf und zwar in DX-Sendungen. Einige Sprachredaktionen begannen sich auch mit Radio Prag-Tschechoslowakei zu melden. In den 1960er Jahren wurde die Bezeichnung Radio Prag vor allem im Schriftverkehr mit den Hörern benutzt, aber auch auf Sendeplänen, QSL-Karten und anderem gedruckten Material. Aber noch wurde diese Bezeichnung nicht einheitlich und in allen Sprachen verwendet. Erst in den 90er Jahren setzte sich der Name Radio Prag endgültig durch. (Anfang der 90er Jahre benutzte man kurz die Bezeichnung "Radio Czechoslovakia International".) Was die interne, administrative Bezeichnung im Tschechoslowakischen Rundfunk betrifft, so wurde vor dem Krieg die Bezeichnung "Kurzwellenabteilung" benutzt, nach dem Krieg "Kurzwellensendungen", seit den 50er Jahren benutzte man die Bezeichnung "Auslandssendungen" mit der Abkürzung ZV (in Tschechisch Zahranicní vysílání). Erst seit 1996, als die einzelnen Programme des Tschechischen Rundfunks neu benannt wurden, dient der Name "Radio Prag" sowohl als administrative Bezeichnung als auch zur Identifizierung. Der offizielle Name lautet heute "Tschechischer Rundfunk 7 - Radio Prag". In den Sendungen wird die Bezeichnung "Radio Prag - Die Sendungen des tschechischen Rundfunks für das Ausland" benutzt.
Radio Prag wird allerdings anders finanziert als der Tschechische Rundfunk, dessen Betrieb von Konzessionszahlungen gedeckt wird. Die Auslandssendungen finanziert dagegen der Staat. Zwischen 1993 und 1996 erhielt der Tschechische Rundfunk diese Gelder durch das Regierungsamt, seit 1997 durch das Außenministerium. 1994 wurde ein öffentlicher Wettbewerb für die Betreibung der Auslandssendungen ausgeschrieben. Es war keine große Überraschung, als der Tschechische Rundfunk gewann. Grundlage der Existenz von Radio Prag ist ein Vertrag zwischen dem Tschechischen Rundfunk und dem Außenministerium, in dem Form und Umfang sowie die Finanzierung festgelegt sind. Die Ausgaben für die Sendungen ins Ausland sind von 90 Millionen Kronen im Jahr 1993 auf 45 Millionen für das Jahr 1997 gesunken. 1997 wurden weitere Kürzungen erwogen. Die Sendungen auf Kurzwelle sollten mit Ausnahme der tschechischen und englischen gestrichen werden, die anderen Sprachen sollten nur im Internet erscheinen. Diese Entwicklung konnte zum Glück gestoppt werden. Für das Jahr 2000 wurde der Haushalt auf 62 Millionen erhöht, wodurch mit Sendungen in Russisch begonnen werden konnte.