Die Geschichte von Radio Prag

QSL-Karte aus den 70er Jahren (Zu beachten ist die Abkürzung OLR, die Vorkriegsbezeichnung des Senders Podebrady)QSL-Karte aus den 70er Jahren (Zu beachten ist die Abkürzung OLR, die Vorkriegsbezeichnung des Senders Podebrady)Die Anwesenheit sowjetischer Truppen sowie die in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ergriffenen Maßnahmen ließen ahnen, dass die Vertreter der prosowjetischen Linie gewonnen hatten und der Kampf um das "menschliche Antlitz" der zukünftigen Tschechoslowakei verloren war. Es begann eine 20jährige Periode, die als Normalisierung bezeichnet wird. Es entstand das Regierungsamt für Presse und Information, dessen erste Instruktion alles aussagte: "Nichts senden, was wie Kritik an der Sowjetunion, der Staaten des Warschauer Paktes und seiner Truppen klingen könnte. Den Ausdruck "Okkupation der Tschechoslowakei" nicht benutzen. Die Reaktionen des Sicherheitsrats der UNO nicht gutheißen. Keine Informationen über die von den Truppen verursachten Schäden senden, keine Informationen über Verletzte und Tote." Bald wurden alle diejenigen entlassen, die während des Prager Frühlings aktiv gewesen waren.

QSL-Karte aus den 70er JahrenQSL-Karte aus den 70er JahrenIn den folgenden zwei Jahren verließen einige hundert Mitarbeiter den Tschechoslowakischen Rundfunk, die meisten von ihnen freiwillig. Radio Prag gehörte zu den am meist betroffenen Abteilungen: von seinen 350 Angestellten gingen über 150. Weitere wurden Anfang der 70er Jahre entlassen. So gut wie alle führenden Angestellten wurden ausgewechselt. Die sog. Kaderabteilung sorgte dafür, dass auf allen führenden Posten politisch verlässliche Personen eingestellt wurden.

Zwischen 1968 und 1970 wurden im Tschechoslowakischen Rundfunk die verschiedensten organisatorischen Veränderungen durchgeführt. Ziel war es u.a., "die Auslandssendungen unter den neuen Bedingungen in ein effektives Instrument der kommunistischen Partei und des sozialistischen Staates bei der Propagierung im Ausland" zu formen. Dabei handelte es sich vor allem um eine stärkere Zentralisierung des Programms und der Verwaltung. Die Redakteure verloren so das bisschen schöpferische Freiheit, dessen sie sich in den 60er Jahren erfreut hatten. Viele Programme und Lieder kamen auf die "schwarze Liste". Im Rahmen von Radio Prag entstand eine sog. "Monitoring Abteilung", die direkt dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei unterstand. Diese Abteilung hörte ausländische Rundfunksendungen in Tschechisch ab, vor allem Radio Free Europe, Voice of Amerika und BBC, und erarbeitete Zusammenfassungen von deren Sendungen für die höchsten Partei- und Staatsfunktionäre.

QSL-Karte aus den 70er JahrenQSL-Karte aus den 70er Jahren 1972 entstand das sog. Interprogramm von Radio Prag als ein mehrsprachiges Unterhaltungsprogramm für Westeuropa. Dabei handelte es sich um einen fünfstündigen Musikblock, der jede 15 Minuten von Nachrichten in Tschechisch/Slowakisch, Deutsch, Französisch und Englisch unterbrochen wurde. Später wurde die Sendezeit verlängert, außerdem kamen Nachrichten in Russisch hinzu. Das Interprogramm wurde auf Kurz- und Mittelwellen ausgestrahlt, nach 1976 auch auf UKW, so dass es auch auf dem Gebiet der Tschechoslowakei gut zu empfangen war. Da viel Musik gespielt wurde, hörten auch tschechoslowakische Bürger das Programm, auch wenn es sich vor allem an Ausländer richtete.

In den 70er Jahre wuchs der Umfang der Sendungen von Radio Prag ständig. Während 1970 täglich 29 Stunden gesendet wurden, waren es 1979 sogar 37 Stunden. Ebenso wuchs auch die Anzahl der Briefe, die Radio Prag erhielt. 1970 wurden 88.000 Briefe registriert, 1976 waren es 137.000, womit ein Höhepunkt erreicht war. Versammlung von Pragern und Rundfunkangestellten vor dem Rundfunkgebäude - 'Für wahrheitsgetreue Informationen', November 1989Versammlung von Pragern und Rundfunkangestellten vor dem Rundfunkgebäude - 'Für wahrheitsgetreue Informationen', November 1989

Auch in den 80er Jahren sahen Umfang und Form der Sendungen ähnlich aus. 1981 entstand eine polnische Redaktion, die täglich eine Stunde auf Sendung war und gegen die Solidarität-Bewegung gerichtet war. Später wurde sie Bestandteil des Interprogramms, 1986 wurde sie eingestellt. Anfang 1988 - zwölf Jahre nach Unterzeichnung des Helsinker Abkommens - wurde in der Tschechoslowakei die Tätigkeit der Störsender eingestellt. Ein erstes Zeichen der politischen Veränderungen, die als "Perestroika" bekannt sind.

 
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